Rede der Roten Hilfe Heidelberg zum Antifaschistischen Straßenfest 2014

Liebe Linksradikale,

Liebe andere Linke,

Liebe Bürgerinnen und Bürger,

Herzlich willkommen zum antifaschistischen Straßenfest. Schön, dass ihr da seid.

Nicht ganz so willkommen möchte ich die Damen und Herren in Uniform heißen.

Nicht willkommen seid ihr uns, weil ihr uns schon zu oft eins mit dem Knüppel übergezogen habt.

Und uns dann noch einen Widerstand gegen die Staatsgewalt angehängt. Und uns dann zur DNA-Abgabe antanzen lassen wolltet. Und dann, bei der nächsten Hausbesetzung, alles an DNA einsammelt, was nicht schon komplett verfault ist und eben mal die Unschuldsvermutung vom schönen Rechtsstaat über den Haufen werft: "Wir haben da ein Haar von dir gefunden, jetzt beweise mal, dass du nicht dabei warst."

Und dann wollt ihr, dass wir noch ein paar Leute verpfeifen, wenn wir so unvorsichtig sind, genau sowas beweisen zu wollen. Das nur nebenbei: Anna und Arthur halten immer noch das Maul.

Also: Solange ihr eure Uniform nicht auszieht, eure Knüppel und Knarren wegwerft, hätten wir euch lieber nicht hier. Ich glaube, nach der Erklärung versteht ihr das, oder?

Aber dann gibts noch die Polizei, die, wenn sie schon da ist, vielleicht doch lieber Uniform haben sollte, aber keine hat. Die kommt von einer Abteilung, die sich ganz entspannt Staatsschutz nennt. Ja: die schützen den Staat vor so netten Leuten wie dir, oder deiner Freundin, oder deinem Freund.

Das ist ihr Job: Ein Machtsystem schützen, das Kriege führt, tausende Menschen an weit entfernten Grenzen ersaufen lässt, Millionen Menschen in gnadenlosen Wettbewerb mit ihren Mitmenschen treibt. Das bedeutet: Ihr Job ist, Leute zu schikanieren und zu bespitzeln, die was gegen all das tun wollen.

Ihr, nicht-liebe Staatschutzleute, ihr seid uns überhaupt nicht willkommen.

Können wir gerade mal einen wilden Ton machen, um diesen Leuten klar zu machen, dass sie nicht willkommen sind? Vielleicht, wenn alle mal richtig laut Worraworra machen?

Na ja, ok. So zum Anfang wirds schon reichen. Wir brauchen auch noch Steigerungsmöglichkeiten, denn es gibt noch Schlimmeres als den Staatsschutz.

Noch widerwärtiger und noch unwillkommener ist der Emissär vom Geheimdienst, der hier ganz gewiss irgendwo steht. Dieser Typ wird morgen früh einen Bericht nach Stuttgart schicken oder gar nach Chorweiler -- da sitzt die Bundeszentrale -- und sich indigniert zeigen, dass wir hier auf der Straße waren, vielleicht erzählen, dass Dieter oder Rosemarie auch schon wieder da waren oder ein Typ mit einer Pappnase es wagte, den Verfassungsschutz auflösen zu wollen.

Wollen wir nochmal probieren, Unwillkommenstöne zu machen? Bittebitte, und so arg ihr könnt?

Seit diesem Jahr weiß ich dann auch, wie es sich anfühlt, wenn Webseiten, die ich gemacht habe, Mails, die ich geschrieben habe, in Geheimdienstakten auftauchen. Ich kann euch sagen: Schön ist das nicht.

Ich könnte das mit Humor nehmen. Neulich habe ich eine Kabarettistin mit dem coolen Spruch gehört: "NSA? Ich sage nur NSU. Über die hat man auch alles gewusst, und hat es ihnen geschadet?"

Ganz falsch ist das nicht: Im Schnitt sind diese Leute zu doof zum Scheißen. Das sind Leute, die zwar in unsere Computer einbrechen dürfen, das aber regelmäßig nicht auf Reihe kriegen.

Das sind Leute, die sich Hitech-Spielzeug kaufen, mit denen sie einen ganzen Platz abhören können und im Nachhinein auf einzelne Gespräche zoomen. Und dann merken sie trotzdem nicht, dass... ach, wisst ihr, ich sags ihren Spitzeln hier jetzt auch nicht.

Das sind Leute, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun haben, als Verschwörungstheorien gegen den Staat zusammenzufantasieren und zum Glück trotzdem meist beliebig weit daneben liegen.

Das sind Leute, die es nicht geschafft haben, ihre Mitarbeiter aus Kneipen abzuziehen, bevor durchgeknallte Nazis da drin rummorden.

Aber leider ist das nicht der Punkt. Die universelle Schnüffelei des VS ist reines Gift, auch wenn der VS als Ganzer unfähig und blind ist.

Sie ist genau die Sorte von Einschüchterung, die das Verfassungsgericht 1983 als unvereinbar mit der Menschenwürde, als Gift für Partizipation identifiziert hat.

Sie ist, was politisch Aktiven Paranoia macht. Sie ist, was Misstrauen gegenüber unseren FreundInnen in unsere Gruppen bringt. Sie ist Scheiße, und ich finde, das sollte nochmal einen Zornton geben.

Lassen wir uns von diesen Widerlingen nicht einschüchtern! Vor dem VS hat mensch keine Angst, mit dem VS redet mensch schon gar nicht. Das einzige, was mensch mit dem VS machen will, ist ihn auflösen.

Gestern haben wir das noch nicht hingekriegt, heute gibts ihn auch noch, aber wenn wir uns ein wenig anstrengen: Diese Leute sind nach NSU und NSA -- für deren Abwehr sie ja auch zuständig gewesen wären -- auch für die breitere Öffentlichkeit schon ziemlich im Eimer.

Mit ein wenig Demo hier, ein bisschen Öffentlichkeitsarbeit dort, klarem Kopf und ausreichend Zorn: Geben wir ihnen den Rest!

[Legalese, wenn es jemand braucht: Recycling willkommen: Diese Rede, geschrieben von Christian Olerik, ist ins Public Domain gestellt. Die Details regelt CC0 1.0 Universal]