Liebe Genossinnen und Freundinnen, liebe Mitstreiterinnen,
es ist selten, dass wir als Rote Hilfe e. V. uns bei einer Kundgebung zu Wort melden, die scheinbar nichts mit dem Themenfeld Antirepressionsarbeit zu tun hat. Tatsächlich waren feministische Kämpfe jedoch von Anfang an staatlichen Repressionsmaßnahmen ausgesetzt.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sahen sich Frauendemonstrationen, die für elementare Grundrechte wie das Wahlrecht eintraten, und Streiks von Textilarbeiterinnen, die bessere Arbeitsbedingungen und Löhne auch für Frauen einforderten, brutaler Polizeigewalt und Verhaftungen gegenüber. Wie ein roter Faden durch die feministische Geschichte zieht sich die Kriminalisierung von Kampagnen gegen den §218, für das Recht von Frauen, selbst über ihren Körper zu verfügen: in den 1970er Jahren wurden Aktivistinnen des Frankfurter Frauenzentrums, die Ärzt*innen in den Niederlanden empfahlen und kollektive Fahrten dorthin organisierten, sogar zu einer „kriminellen Vereinigung“ nach §129 erklärt.
Den Kampf gegen den §219, der die Aufklärung über die Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruchs strafrechtlich verfolgt, rückte in den letzten Jahren vor allem durch die engagierte Gynäkologin Kristina Hänel wieder in den Fokus, die ein Informationsrecht auch für schwangere Frauen einfordert. Und bis heute sehen sich feministische Demonstrationen massiver staatlicher Repression ausgesetzt, und ich meine hier keineswegs nur in entfernten Ländern wie dem Iran oder der Türkei, wo zahllose Feministinnen in den Gefängnissen sitzen. Wir als Rote Hilfe e.V. beraten und unterstützen regelmäßig Aktivistinnen, die sich nach hiesigen feministischen Protesten mit Verfahren konfrontiert sehen, und auch Polizeigewalt ist keine Seltenheit, wie ein Blick über die Grenze zeigt: erst am vergangenen Samstag wurde die Frauenkampftagsdemo in Zürich in einem brutalen Polizeieinsatz mit Knüppeln und Pfefferspray angegriffen und mehrere Demonstrantinnen festgenommen.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle geschlechtsspezifische Repression, die schon viele von uns in Festnahmesituationen erfahren mussten: sexistische und lookistische Bemerkungen der Polizei, Durchsuchungen des Intimbereichs in Anwesenheit von männlichen Beamten, wie es eine betroffene Aktivistin erst im Februar in Würzburg öffentlich machte, und demütigende Schikanen in Gefangenensammelstellen, indem beispielsweise der Wechsel von Tampons nur im Beisein von Beamt*innen erlaubt wird oder keinerlei neue Hygieneartikel zur Verfügung gestellt werden.
Und Repressionsschläge gegen politisch aktive Frauen werden in der Presse allzu oft für eine sexistische Begleitkampagne genutzt, wie derzeit wieder der Fall der Leipziger Antifaschistin Lina zeigt. Seit ihrer Festnahme fixiert sich die Berichterstattung in reaktionären Medien darauf, dass eine Frau im Verdacht steht, durch militante Aktionen gegen Nazis gegen das vorgesehene Rollenklischee der „friedlichen Frau“ verstoßen zu haben. Dem entsprechend konzentrieren sich viele Zeitungen vornehmlich auf die Farbe der Fingernägel, die Länge des Rockes und das körperliche Erscheinungsbild der Leipzigerin. Die Überschrift „Chef-Chaotin im Mini-Rock zum Richter“ aus der Bildzeitung ist nur eines von vielen Beispielen.
Und mit dem Hinweis auf die gefangenen Aktivistinnen hier in der BRD möchte ich abschließen. Unsere solidarischen Grüße gehen an die Antifaschistin Lina, an Nicole in der JVA Schwäbisch Gmünd, die im Oktober wegen des MIEZE-Verfahrens verhaftet wurde, und an UP1, die wegen ihrer Beteiligung an den Klimakämpfen im Danni seit November in der JVA Preungesheim sitzt. Anlässlich des Tags der politischen Gefangenen, dem 18. März, veranstalten wir am 20. März um 11 Uhr eine Kundgebung auf dem Marktplatz, bei der wir nochmals die politischen Gefangenen in der BRD vorstellen wollen.
Wir fordern ein Ende der staatlichen Repression gegen feministische Kämpfe!
Wir fordern ein Ende der Kriminalisierung grundlegender Frauenrechte!
Schluss mit geschlechtsspezifischer Repression!
Feminismus ist keine Straftat, sondern eine Selbstverständlichkeit.