Liebe Genoss*innen und Freund*innen,
ich freue mich sehr, dass wir als Rote Hilfe Heidelberg/Mannheim bei der heutigen Demo mit einem Redebeitrag vertreten sein können. Denn der 8. März und feministische Kämpfe haben sehr viel mit unserer Antirepressionsarbeit und Solidaritätspraxis zu tun. Damit meine ich nicht nur die leider allzu häufigen Repressalien oder polizeilichen Angriffe gegen Demos am 8. März oder gegen andere feministische Proteste und Aktionen. Viel zu wenig beachtet wird die geschlechtsspezifische Repression, der Frauen und TINA-Personen ausgesetzt sind.
Wir alle kennen diese Situationen: paternalistisches Verhalten von Einsatzleitern gegenüber Anmelderinnen von Demos, sexistische Kommentare und Blicke bei polizeilichen Kontrollen und Festnahmen bis hin zu systematisch erniedrigenden Situationen auf dem Revier. Betroffene berichteten oft genug von verweigerten Menstruationshygieneartikeln nach der Festnahme oder endlosen Nacktkontrollen, bei denen vor der geöffneten Flurtür männliche Beamte Sichtkontakt hatten. Viele dieser traumatisierenden Vorfälle werden kaum thematisiert und auch in der politischen Bewegung kaum diskutiert – genau dafür müssen wir aber Möglichkeiten schaffen.
In Gerichtsprozessen sind wir ebenfalls mit patriarchalen Rollenbildern konfrontiert: Unsere politischen Aktionen werden systematisch unterschätzt und kleingeredet oder mit Lächeln quittiert. Oft betrachtet die Justiz unsere politische Arbeit als Versuch, unseren männlichen Genossen oder Partnern zu imponieren – oder wir haben uns angeblich einfach „mitreißen“ lassen, denn bekanntlich sind FLINTA*-Personen ja so unkontrolliert und werden eben von ihren männlichen Vorbildern gesteuert.
Ein anderes Thema ist die große Zahl von gefangenen Genossinnen: Jahrzehntelang gab es nur wenige und meist männliche politische Gefangene in hiesigen Knästen, aber in den letzten Monaten schoss die Zahl in die Höhe. Und darunter sind viele Frauen und TINA-Personen. Beispiele sind Daniela Klette, die im Kontext der Stadtguerilla der 1980er/1990er verfolgt wird, oder die kurdische Aktivistin Makbule, die Anfang Februar mit dem Vorwurf der PKK-Mitgliedschaft verhaftet wurde.
Vor allem trifft es aber die antifaschistische Bewegung: Allein im sog. Budapest-Komplex, bei dem es um körperliche Auseinandersetzungen mit Nazis in Ungarn geht, sitzen aktuell fünf Antifaschistinnen in Untersuchungshaft. Die Nürnbergerin Hanna wurde vor zehn Monaten verhaftet, und im Januar stellten sich sieben weitere beschuldigte Antifas, die zuvor untergetaucht waren. Seither sind auch Nele, Luca, Paula und Clara im Gefängnis. Ein besonders krasses Beispiel ist der Fall von Maja: Die non-binäre Person aus Jena wird ebenfalls beschuldigt, sich in Budapest an den Auseinandersetzungen mit Nazis beteiligt zu haben, und wurde im Dezember 2023 in Berlin verhaftet. Obwohl Maja im offen queerfeindlichen Ungarn in Lebensgefahr schwebt und dort bis zu 24 Jahre Haft unter unmenschlichen Bedingungen drohen, lieferten die deutschen Behörden Maja im Juni 2024 in einer offen rechtswidrigen Aktion aus.
Gerade wenn es darum geht, dass Frauen und TINA-Personen gegen die herrschenden Rollenbilder verstoßen, setzt das eine ganze Welle patriarchaler Reaktionen in Gang: Sexismus prägt polizeiliche Ermittlungen, Anklageschriften und Gerichtsprozesse ebenso wie die Berichterstattung in den Medien. Besonders offensichtlich mussten wir das bei der Antifaschistin Lina miterleben, die Ende 2020 von einem spektakulären Polizeiaufgebot verhaftet und bei einem Hubschrauberflug zur Haftprüfung der Presse vorgeführt wurde. Die Berichterstattung konzentrierte sich auf Bewertung von Linas Äußeren, und die Springerpresse titelte „Minirock und rote Fingernägel“. Die meisten Medien taten betonten immer wieder das Erstaunen, dass eine junge Frau an militanten Aktionen gegen Nazis beteiligt gewesen sein soll. Das war für die Ermittlungsbehörden denn auch das zentrale Moment: Immer wenn bei den kriminalisierten Aktionen eine weiblich gelesene Person vermutet wurde, war das automatisch Lina – als gäbe es in der gesamten antifaschistischen Bewegung nur eine einzige FLINTA*-Person. Lina selbst sagte dazu:
„Als Frau erlebt man in der Biografie immer und immer wieder Momente, in denen man unterschätzt, nicht gesehen oder nicht ernstgenommen wird – so auch meine Erfahrung. In den Ermittlungen der SOKO Linx verlief es umgekehrt. Hier wurde Frausein zum zentralen Ermittlungsmotiv: Sie suchten überall nach Straftaten, an denen eine Frau beteiligt gewesen sein soll, um diese Straftaten dann mir und im Umkehrschluss der von ihnen angenommenen kriminellen Vereinigung zuzuordnen. Und auch vor Gericht reichten zwei Faktoren für eine Verurteilung: Frausein und Partnerin eines Mitbeschuldigten. Vom Frausein als zentralen Ermittlungsmotiv, zum Indiz, zum Verurteilungsgrund.“
Sexismus und Patriarchat prägen in vielfältigen Formen unsere Repressionserfahrungen, und wir müssen sie auch in der politischen Solidaritätsarbeit und in der ganz praktischen Unterstützung für Betroffene immer mitdenken und die Genossinnen* supporten. Vor allem aber gilt es, diesen patriarchalen Muster und Repressionsformen entschieden entgegenzutreten.
Schluss mit der patriarchalen Repression!
Feministisch solidarisch gegen Polizei, Justiz und Staat!